
Montag, 29.07.2019
Start: Baad im Kleinwalsertal (1.244m)
Ziel: Großer Widderstein (2.533m)
Heute geht's auf den Großen Widderstein! Nachdem ich im vergangen Jahr aufgrund schlechter Wetterverhältnisse die Tour absagen musste, soll der Gipfel heute erreicht werden. Allerdings ist das Wetter auch heute morgen noch regnerisch und neblig. Im Tagesverlauf soll es besser werden, allerdings ist schon die Frage, ob der Widderstein mit Kletterstellen im Bereich UIAA I bei dieser Nässe machbar ist.
Geplant war ein Aufbruch in Baad um 6.00 Uhr. Wir warten allerdings noch ab, bis der Regen aufhört und starten dann um 9.00 Uhr am Wanderparkplatz in Baad im Kleinwalsertal.

Am Parkplatz angekommen klart der Himmel auf und es sind im Prinzip ideale Verhältnisse. Angenehm warm, trocken und stellenweise leicht bewölkt. Richtung Widderstein ist der Himmel allerdings komplett zugezogen.
Wir schnüren die Stiefel und sind um Punkt 9.00 Uhr auf dem Weg. Dieser beginnt sehr gemächlich über eine Fahrstraße und wir schlagen ein hohes Tempo an. Erstes Ziel ist die Bärgundalm, die wir in 45 Minuten erreichen sollen.


Das Tempo ist hoch. Vielleicht zu hoch? Wir erreichen bereits nach 25 Minuten die Hütte, die mit 45 Minuten angegeben war. Allerdings sind wir bereits nass geschwitzt und machen eine kurze Trinkpause bevor wir dem Weg weiter folgen, der hinter der Hütte in den Wald hinein führt.


Das Tempo bleibt hoch, Daniel schreitet zügig voran und ich versuche Anschluss zu halten. Der Weg führt jetzt schön durch den Wald über Wurzeln und Steine, immer wieder müssen wir kleine Bäche queren, die durch den starken Regen deutlich aus ihren Flußbetten treten.


Nach einer Stunde machen wir nochmal Trinkpause, wir sind sehr gut in der Zeit. Mit Blick auf die Länge der Tour sollten wir das Tempo jetzt aber mal etwas drosseln, um nicht gleich völlig erschöpft am Fuße des Widdersteins anzukommen, an dem die Tour im Prinzip ja erst richtig losgeht.

Wir treten aus dem Wald heraus und folgen dem Weg nun über Wiesen mitunter deutlich aufsteilend hinauf. Durch den Regen ist der Boden völlig aufgeweicht und wir stapfen teilweise durch dicken Schlamm.
Nach etwa 2 Stunden erreichen wir eine kleine Hütte, an der es eine kleine Getränkeauswahl gibt. Wir entscheiden uns für eine kurze Pause und ordern eine Runde Holunderwasser.


Mit Blick auf die Karte fällt mir auf, dass wir gleich einen ersten Gipfel erreichen. Der 2.039m hohe Seekopf liegt quasi auf unserem Weg. Wir erreichen eine kleine Kuppe, hier soll laut GPS der Gipfel sein. Ein Kreuz ist allerdings nicht zu sehen.
Es ist eh im Moment nicht viel zu sehen. Wir stehen am Fuße des Widdersteins in den tief hängenden Wolken und haben vielleicht 50m Sicht. Vor uns wird das Gelände jetzt felsiger und wir werden gleich den felsigen Einstieg zum Widderstein erreichen.


Wir steigen über das Geröll hinauf und stehen nach etwa 10 Minuten am Wandfuß des Widderstein. Jetzt wird es Zeit die Helme aufzusetzen, am Widderstein besteht grundsätzlich Steinschlaggefahr.
Wir überwinden eine erste Felsstufe und folgen dann den blau-weißen Markierungen hinauf. Die sicht5am Widderstein ist gleich 0,wahrscheinlich stehen wir später am Gipfel in den Wolken und haben 0 Sicht...



Wir haben jetzt noch eine gute Stunde Kraxelei vor uns, bis wir den Gipfel erreichen. Der Fels ist weitgehend trocken, die Bedingungen sind besser als gedacht. Allerdings sind wir nicht zu euphorisch, das kann sich hier alles noch verändern.
Nach etwa 30 Minuten erreichen wir eine steile Wandstufe, hier scheint jetzt der anspruchsvollste Teil der Strecke zu kommen. Die Stellen sollen aber laut Klassifizierung nicht den Schwierigkeitsgrad UIAA I überschreiten, so wild kann es also nicht werden.
Allerdings kommen uns jetzt zwei Gruppen von Wanderern entgegen, die etwas weiter oberhalb umgekehrt sind. Nach deren Aussage ist der Fels noch sehr nass und rutschig und es war ihnen zu heikel. Das sind erstmal keine guten Nachrichten, allerdings sollte man sich von solchen Einschätzungen anderer Wanderer nicht einschüchtern lassen. Ob eine Stelle machbar ist, sollte jeder selbst für sich selbst entscheiden. Andersherum verlasse ich mich ja auch nicht auf das Urteil von besseren Bergsteigern, die eine Passage als gut machbar beschreiben, für mich aber zu anspruchsvoll ist. Also steigen wir erstmal weiter und schauen uns das mit eigenen Augen an!

Die Passage ist letztlich harmlos. Der Fels ist in der Tat nasser als unten aber keinesfalls "lebensgefährlich", wie die anderen Wanderer es berichtet haben.
Wir steigen weiter hinauf und sind ganz froh, daß die anderen umgekehrt sind. Das Gelände ist steil und und führt quasi in Kehren die Wand hoch, der Hinweis auf die Steinschlaggefahr und die Helmpflicht ist berechtigt. Allerdings sind etwa die Hälfte der Leute hier ohne Helm unterwegs...

Wir erreichen ein kleines Schneefeld, wo jetzt doch nochmal höchste Aufmerksamkeit gefragt ist. Das Stück ist nur etwa 2m lang aber absolute no-fall-area. Es sind aber gute Stufen geschlagen und wir bringen die Stelle gut hinter uns. Das Gelände wird jetzt auch wieder flacher und wir können Bereichs von unten den Gipfelgrat erkennen. Jetzt sind es vielleicht noch 20 Minuten!


Das Gelände ist jetzt wieder flacher und wir steigen die letzten Meter bis zum Grat auf. Hier zweigt der Weg nach rechts ab und führt über einen relativ breiten Grat hoch zum Kreuz. Die Wolken haben sich etwas verzogen, haben wir vielleicht doch etwas Aussicht? Im Moment kann man das noch nicht so einschätzen.

Wir erreichen das Kreuz und können unseren Augen kaum trauen! Der Himmel über uns ist klar und die Sonne scheint uns ins Gesicht. Unter uns wabern dicke Wolken, zu unserer linken Seite erstreckt sich eine geschlossene Wolkendecke bis zum Horizont. "Ist das der Widderstein oder das Matterhorn?" Solche Bilder kennen wir sonst nur von Bildern von 4.000er Touren oder aus dem Flugzeug.
Wir setzen die Rucksäcke ab und suchen uns einen schönen Platz unter dem Kreuz und genießen die unfassbare Aussicht.





Wir genießen die Sonne, essen und trinken eine Kleinigkeit und sind einfach glücklich, den Gipfel erreicht zu haben. Das war nach den Regenfällen der letzten Tage nicht klar. Und das wir hier oben so ein Schauspiel erleben, damit war überhaupt nicht zu rechnen.

Der Wind frischt auf und wir haben noch einen langen Abstieg über fast 1.400 Höhenmeter bis ins Tal vor uns. Wir trennen uns schweren Herzens von dieser Aussicht und brechen zum Abstieg auf. Der Weg führt wieder hinunter zum Gipfelgrat und dann über den gleichen Weg wie beim Aufstieg hinunter.


Der Abstieg geht uns gut von der Hand bzw. von den Füßen 😁
Wir steigen langsam und vorsichtig wieder runter, das Gelände ist aber insgesamt gutmütig und mit keinerlei technisch anspruchsvollen Stellen. Dennoch ist absolute Vorsicht geboten, der Fels ist stellenweise noch nass und es herrscht grundsätzlich Steinschlaggefahr. Das an diesem Berg vor einer Woche ein Wanderer tödlich abgestürzt ist, haben wir auch im Hinterkopf. Dieser hat allerdings auch bewusst den markierten Weg verlassen um über ein Schneefeld abzukürzen. Solche Eskapaden haben wir selbstverständlich nicht vor und auf dem markierten Weg ist alles safe 👍

Wir haben mittlerweile wieder die dichte Wolkendecke erreicht, auf die wir gerade vom Gipfel aus noch von oben blicken konnten. So geht's bei relativ wenig Sicht weiter hinunter, bis wir nach zwanzig Minuten wieder das kleine Schneefeld erreichen.


Das Schneefeld ist passiert und wir erreichen nach weiteren 10 Minuten erneut die "Schlüsselstelle", die aber bei Lichte betrachtet max. mit 1- einzuordnen ist. Ohne Probleme kommen wir hinunter und erreichen nach einem knapp 1 stündigen Abstieg wieder den Wandfuß und den Abzweig zum Wanderweg zurück ins Tal.


Wir setzen die Helme ab, ab hier erwartet uns nur noch 2,5 Stunden lockeres auslaufen ins Tal. Wir biegen unterhalb des Widdersteins rechts ab und erreichen wieder den schmalen Wanderpfad, der quer entlang ins Tal führt.
Das Gelände ist deutlich abgetrocknet und bei weitem nicht mehr so schlammig wie heute morgen, sodass wir zügig voran kommen.

Wir passieren erneut die kleine Hütte und ordern nochmal das Holunderwasser, welches offensichtlich aus eigener Herstellung ist 👌
Jetzt sind es nur noch etwa 1,5 Stunden bis ins Tal, wir halten uns nicht lange auf und gehen nach kurzer Rast die letzte Etappe an.
Wir schalten nochmal den Renngang ein und steigen in sehr zügigen Tempo ab. Unterhalb der Hütte erreichen wir wieder die Baumgrenze und haben bereits Sicht auf den Talort Baad.


Wir erreichen wieder die kleine Bärgundhütte und haben jetzt zwei Möglichkeiten: links führt der Weg in 40 Minuten ins Tal, hier sind wir heute morgen hoch. Rechts gibt's einen Panoramaweg über die Alpe Widderstein, die mit 50 Minuten angegeben ist. Wir entscheiden uns für den längeren Weg, vielleicht haben wir doch nochmal einen Blick auf den Widderstein, den wir tatsächlich heute noch nicht einmal richtig gesehen haben 😄

Wir passieren die Alpe Widderstein, von Panorama ist nicht viel zu sehen. Die umliegenden Berge und auch der Widderstein liegen in den Wolken. Das ist wirklich etwas schade, gerne hätten wir den Berg nochmal aus der Ferne betrachtet.
Der Weg führt etwas oberhalb am Hang entlang und mündet nach einer halben Stunde wieder auf unseren Aufstiegsweg. Kurz darauf erreichen wir nach insgesamt 8 Stunden wieder den Parkplatz.
Es war eine großartige Bergtour mit einer spektakulären Aussicht am Gipfel. Insgesamt haben wir 16,4km absolviert und dabei kumuliert 2.600 Höhenmeter in Auf- und Abstieg überwunden.


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Claire (Montag, 05 Juli 2021 11:58)
Toller Bericht einer großartigen Gipfeltour! Wir haben den Widderstein schon oft umrundet, aber noch nicht bestiegen. Läuft man in der Gipfelrinne meistens auf Fels, oder ist es stellenweise sehr geröllig? Habe nämlich bei steilen rutschigen Abstiegen auf Geröll so meine Probleme, Ausgesetzheit macht mir nichts aus. Danke!