
Sonntag, 01.09.2019
Start: Stein im Pflerschtal (1.245m)
Ziel: Weißwandspitze (3.017m), Hoher Zahn (2.927m).
Nachdem ich mich bei meinem Urlaub in Südtirol in die Weißwandspitze verliebt habe, gibt's heute bereits die Gelegenheit, diesen Berg zu besteigen. Geplant ist die große Weißwandspitzenrunde über die Magdeburger Hütte, die Weißwandspitze, den Hohen Zahn und die Tribulaunhütte zurück ins Tal. Eine technisch durchaus beherrschbar Aufgabe, konditionell aber ein ordentliches Brett. Ca. 20km und über 3.500 Höhenmeter werden hier aufgerufen, Gehzeit 8-9 Stunden ohne Pause.
Das Wetter soll erst stabil, ab Nachmittag aber regnerisch und gewittrich werden. Wir starten bereits um 6.15 Uhr bei Sonnenaufgang am Parkplatz in Stein im Pflerschtal auf 1.245m.

Kurz nach dem Aufbruch stellen wir fest, den falschen Parkplatz genommen zu haben. Eigentlich wollten wir am Parkplatz "Hölle" auf ca. 1.500m starten. Allerdings stellen wir fest, uns gerade mal auf 1.250m zu befinden und den Wagen offensichtlich viel zu früh abgestellt zu haben. Jetzt mach es aber auch keinen Sinn mehr, zurück zu gehen und umzuparken. Wir beißen so früh am morgen in den sauren Apfel und laufen weiter, mit dem Wissen, dass sich die Tour soeben um 500 Höhenmeter und 1 Stunde verlängert hat. Vielleicht ist das bei der eh schon sehr langen Tour aber jetzt auch egal 😄

Der Weg führt direkt oberhalb des Parkplatzes in den Wald hoch und dann am Wasserfallweg entlang hinauf zum Parkplatz Hölle. Es ist bereits jetzt angenehm warm und es scheint ein schöner Tag zu werden.
Wir schlagen ein zügiges Tempo an, schließlich haben wir eine Menge vor heute und später soll das Wetter noch umschlagen.
Wir kommen aus dem Wald heraus und erreichen nach einer guten halben Stunde und 250 Höhenmeter den Parkplatz Hölle. Hier hätte man auch parken können...

Oberhalb des Parkplatzes öffnet sich das Gelände und wir steigen relativ sanft über teils felsdurchsetzte Wiesen weiter hinauf. Unser erstes Ziel heute ist die Magdeburger Hütte auf 2.413m, allein bis hier sind es 1.200 Höhenmeter zu gehen. In unserem Rücken taucht die Sonne langsam über dem Pflerschtal auf und wir sind guter Dinge!


Das Gelände wird steiler und wir sind nach 1,5 Stunden bereits nass geschwitzt. Wir sind schnell unterwegs, vielleicht zu schnell. Wir nehmen uns immer wieder vor kurze Trinkpausen zu machen, die schön gelegene Furtalm bietet sich dafür an. Oberhalb der Alm machen wir eine erste kurze Pause.

Das Gelände wird jetzt felsiger u d wohl auch nochmal steiler. Wir haben nur 2 Riegel gefrühstückt und so langsam wird es Zeit für ein richtiges Frühstück. Noch dürften es aber wohl 45 Minuten bis zur Hütte sein. Wir folgen dem steinigen Pfad weiter empor, der nun quer zum Hang weiter hinauf führt. Zumindest die Materialseilbahn der Hütte ist schon zu sehen, ein weiterer Pfeiler ca. 200 Höhenmeter über uns deutet aber darauf hin, dass es noch ein gutes Stück zu laufen ist...

Wir erreichen einen kleinen Wandfuß, an dem es jetzt in steileren Kehren hinauf geht. Mit Blick auf den Hohenmesser müsste die Hütte dort über unseren Köpfen liegen. Auch die Materialseilbahn führt über unseren Köpfen hinweg in diese Richtung. Wir stapfen zügig weiter und ich kann wirklich sagen, ich habe noch nie so geschwitzt in meinem Leben 😄.

Wir verlassen die letzten Kehren und erreichen auf gut 2.400m eine kleine Hochebene. Hier liegt ein kleiner See der wunderbar mit Gräsern und Blumen bewachsen ist. Jetzt kann die Hütte nicht mehr weit sein!

Wir passieren den See und erreichen tatsächlich nach wenigen Minuten die Hütte. Hier scheint heute morgen noch nix los zu sein, alles ist still und verlassen. Wir betreten die Stube und sind tatsächlich die einzigen Gäste. Die Hüttewirte sind mit den um diese Uhrzeit üblichen Reinigungsarbeiten beschäftigt, wir bestellen Kaffee und wollen nach diesen ersten 2,5 Stunden erstmal frühstücken. Es gibt Bauernbrot, Bergkäse und Heumilch 😀


Wir sind bereits jetzt nass geschwitzt, die Aufstieg über 1.000 Höhenmeter bis zur Hütte hat schon Kraft gekostet. Wir fragen die Hüttenwirte nochmal zu ihrer Einschätzung und der Wetter Prognose und entscheiden, erstmal weiter Richtung Weißwandspitze zu gehen, der Gipfel ist nochmal 600 Höhenmeter und etwa 2 Stunden entfernt.

Die Ziegen auf der Terrasse haben uns wohl beim Frühstück beobachtet und sind scharf auf unser Vesper. Jedensfalls folgt uns die ganze Herde mit auf dem Wanderweg Richtung Gipfel, ob das dem Hüttenwirt gefällt? 😄

Der Weg zweigt oberhalb des Sees in den Hang ab und wir folgen diesem in einer langen Querung. Das Gelände wird jetzt deutlich alpiner, immer wieder sind felsige Passagen mit Seilen und Stiften gesichert. Der Großteil der Herde hat mittlerweile von uns abgelassen, allerdings folgen uns zwei der größeren Tiere nach wie vor, selbst über die felsigen und gesicherten Passagen, verrückt 😄

Nach etwa einer guten halben Stunde erreichen wir erneut einen kleinen Talkessel. Hier geht es jetzt über Geröll hinüber und dann steil hinauf. Der Gipfel der Weißwandspitze liegt jetzt direkt vor uns, allerdings immer noch fast 500 Höhenmeter über uns. Mir kommen langsam Zweifel, ob das ganze hier eine gute Idee ist. Wir sind jetzt schon 4,5 Stunden unterwegs und müssen ja später alles wieder runter. Aber zunächst gehen wir weiter und steigen in Kehren den steilen Schotterhang hinauf.

Es ist brutal anstrengend, anders kann man das nicht sagen. Wir haben jetzt bereits 1.400 Höhenmeter in den Beinen und es sind immer noch etwa 400 zu gehen. Von oben kommen jetzt einige Wanderer entgegen und wir stellen die typische Frage: "Wie lange noch?" "Puh, ist noch ein Stück. Vielleicht 1,5 Stunden?"
Wir schauen uns an und ich merke, dass auch bei Kai Zweifel aufkommen. Aber eigentlich kann das unmöglich noch so weit sein! Ich mache den Vorschlag noch weiter zu gehen. Wenn wir in 45 Minuten nicht am Felsband sind, drehen wir um, so ist der Deal. Vom Felsband aus geht es nur noch etwa 20 Minuten weglos über Geröll bis zur Spitze. So motivieren wir uns und steigen im Schotter weiter hinauf.

Der Weg führt weiter in Kehren und weiter relativ steil hinauf. Wir sparen uns den Blick nach oben und konzentrieren uns auf ein gleichmäßiges Tempo. Und tatsächlich kommen wir so recht zügig voran. Wir bleiben noch einmal für eine kurze Trinkpause stehen und genießen die Aussicht, die bereits kurz vor dem Gipfel überragend ist. Hinter uns erblicken wir den Gipfel der Schneespitze (3.178m) und die beiden Feuersteine (3.268m).
Der helle Gipfelaufbau rückt nun endlich näher und nach insgesamt 5 Stunden Aufstieg erreichen wir endlich das Felsband. Hier trennt sich der dunkle Teil des Berges aus Urgestein vom oberen hellen Gipfelaufbau aus Dolomit, der unserer Weißwandspitze diesen ungewöhnlichen Anblick verleiht. Es ist ein tolles Gefühl, jetzt hier oben zu stehen, nachdem wir den Berg heute morgen um 6.00 Uhr noch aus weiter Entfernung und etwas demütig betrachtet haben. Der Gipfel ist jetzt zum greifen nah, noch 20 Minuten sollen es ab hier sein. Wir deponieren den Rucksack und brechen zum finalen Anstieg auf!

Der Weg zum Kreuz ist an der Weißwandspitze nicht markiert. Wir folgen den kaum ausgeprägten Pfadspuren und den kleinen Steinmännchen zur Orientierung. Die Regel für den Aufstieg ist einfach: wird es zu ausgesetzt und krass, sind wir falsch. So war die Empfehlung des Tourenberichts. Tatsächlich geraten wir zweimal recht nach an den sehr ausgesetzter Grat und orientieren uns dann lieber wieder in die andere Richtung.
Und so erreichen wir tatsächlich nach 20 Minuten den recht breiten Gipfelaufbau der Weißwandspitze auf 3.017m Höhe, mein erst zweiter 3.000er - ein großartiger Moment!

Es sind noch zwei andere Bergsteiger hier oben und wir reichen uns die Hände - "Berg heil!" Ich finde, oberhalb von 3.000m darf man sich am Gipfel durchaus die Hände schütteln 😄
Die beiden Fragen uns nach unserem Weg und sind ob unseres Tagespensums sehr beeindruckt: "Ihr seid heute morgen aus dem Tal hoch? Dann schlaft ihr heute auf der Tribulaunhütte!?" Als wir dies verneinen und entgegnen, wieder ins Tal absteigen zu wollen, ernten wir erstaunte Blicke. Die beiden haben die Tour nämlich auf drei Tage aufgeteilt und schlafen auf beiden Hütten...
Wir genießen die Aussicht, die insbesondere vom wuchtigen Tribulaun nebenan bestimmt wird. Auch der Blick ins Tal ist beeindruckend und liegt fast 2.000 Höhenmeter unter unseren Füßen. Wir rasten kurz und essen eine Kleinigkeit. Allerdings wollen wir uns nicht zu lange aufhalten, es steht noch ein langer Weg ins Tal für uns an und der Himmel ist mittlerweile doch ziemlich bewölkt. So brechen wir nach 15 Minuten wieder zum Abstieg auf.

Nach zügigem Abstieg erreichen wir nach 15 Minuten wieder den Wandfuß. Die Hüttenwirte auf der Magdeburger Hütten meinten, dass die Tour über den Hohen Zahn und die Tribulaunhütte zurück ins Tal vom Felsband aus gesehen vergleichbar lang ist. Wenn das so ist, wollen wir natürlich diesen Weg nehmen und die Runde komplett machen. Zudem lockt uns natürlich ein weiterer großer Gipfel, von dem man einen tollen Blick auf die Weißwandspitze haben soll.
So entscheiden wir uns, den Tour komplett zu machen und lenken unsere Schritte Richtung Felsband, auf dem es jetzt in einer spektakulären Querung unterhalb des hellen Gipfelaufbaus der Weißwandspitze weiter Richtung Hoher Zahn geht.

Der Übergang über das Felsband ist harmloser als gedacht, sieht allerdings spektakulär aus. Auf unserer rechten Seite bricht das Gelände mehrere hundert Meter fast senkrecht in die Tiefe, der Übergang ist aber breit angelegt und auf einem kleinen Pfad gut und sicher zu begehen.
Schnell erreichen wir die andere Seite und müssen nun noch über Felsen weiter in eine Senke absteigen, bevor es gleich wieder hoch Richtung Gipfel geht. Von hier unten zeigt uns die Weißwandspitze ihre schroffe Rückseite, ein tolles Bild!

Das Gipfelerlebnis hat uns beflügelt und wir bekommen die zweite (bzw. wohl eher dritte oder vierte) Luft 😄
So kann uns auch das vor uns liegende, wieder steiler werdende Gelände nicht Schrecken. In der Gewissheit, hier jetzt den letzten Aufstieg für heute leisten zu müssen, stapfen wir über Geröll und loses Felsen immer höher Richtung Gipfel.

Wir überwinden nochmal 100 Höhenmeter im Aufstieg und erreichen dann den Abzweig Richtung Gipfel. Rechts führt der Weg hinunter zur Tribulaunhütte, links geht's Richtung Gipfel, der von dieser Stelle aus in wenigen Minuten erreichbar sein soll. Wir halten uns links u d sind gespannt auf den Hohen Zahn 🔝

Der Gipfelabstecher kostet uns Gier tatsächlich nur wenige Minuten und wir erreichen ein recht großes Gipfelplateau, das ein eines Holzkreuz ziert. Wir lassen uns für einen Moment am Kreuz nieder und genießen die Aussicht, links die Weißwandspitze, rechts der Tribulaun und tief unter uns das Pflerschtal. Die Sicht ist aktuell wieder besser und wir können in der Ferne sogar Gossensass und den Brenner erkennen!



Wir rasten nur kurz und brechen dann schnell wieder Richtung Tal auf. In etwa 1,5 Stunden sollen wir die Tribulaunhütte erreichen, dann wollen wir dann zum Mittagessen einkehren.
Wir folgen dem Weg wieder hinunter bis zum Abzweig und halten uns dann links Richtung Hütte. Zunächst recht steil über größere Felsen, dann deutlich abflachend traversieren wir den Südhang des Hohen Zahn bis in eine große Senke, auf der es eine ganze Weile ohne nennenswertes Gefälle weiter geht.


Nachdem wir ein ganzes Stück nahezu in der Ebene gelaufen sind, fällt das Gelände nun wieder deutlich ab und führt über endlose Kehren hinunter zum Fuße des Tribulaun, an dem auch die Hütte liegt. Und tatsächlich kommt nach einer guten Stunde die Hütte in Sicht, die an einem schönen See liegt. Hier gibt's jetzt Mittagspause!

Wir erreichen die Hütte und lasen groß auffahren: Nudelsuppe, Kuchen und Apfelstrudel, dazu Kaffee u d alkoholfreies Weizen. Wir sind jetzt bereits 8 Stunden unterwegs und ziemlich erledigt. Allerdings müssen wir ab hier immer noch 1.200 Höhenmeter ins Tal absteigen, ca. 2,5 Stunden werden wir wohl noch brauchen. Der Imbiss hat aber gut getan u d so treten wir nach einer halben Stunde Pause den finalen Abstieg an.
Der Weg führt zunächst unterhalb des Tribulaun entlang und zweigt dann scharf rechts ab. Hier geht's jetzt auf einem tollen Panoramaweg immer am Hang entlang weiter hinunter.


Die Füße schmerzen, der Nacken ist verspannt vom Rucksack und die Kräfte schwinden. Der Weg ist traumhaft schön aber so richtig genießen können wir das nicht mehr. Wir haben ein hohes Tempo und wollen zügig voran kommen, der Weg zieht sich aber ordentlich in die Länge. Immer noch sind es ca. 700 Höhenmeter hinunter, zumindest haben wir gerade schon mal die 2.000er Marke unterschritten. Das Gelände verändert sich jetzt langsam und wir erreichen wieder die Baumgrenze.


Jetzt nach fast 10 Stunden stolpern wir quasi ins Tal. Kai hat die Füße blutig und mir Schmerzen die Knie, es reicht jetzt wirklich für heute. Wir erreichen den Abzweig, an dem wir heute morgen zur Weißwandspitze abgebogen sind, jetzt geht's noch eine halbe Stunde durch den Wald und über die Fahrstraße bis zum Parkplatz.


Nachdem sich das Wetter wirklich super gehalten hat, fängt es jetzt auf einmal richtig an zu schütten. Wir sind in ca. 10 Minuten am Auto, legen aber jetzt doch die Regenjacken nochmal an. So treten wir aus dem Wald heraus und laufen das letzte Stück Straße zum Auto, welches wir nach 10,5 Stunden wieder erreichen.


10,5 Stunden, 20,5km und 3.600 Höhenmeter, das ist die Bilanz unseres Tages. Eine wahrlich große Bergtour liegt hinter uns, die uns konditionell alles abverlangt hat. Zwei große Gipfel, zwei schöne Hütten und technisch recht geringe Anforderungen machen diese Runde wirklich zu etwas ganz besonderen. Ich persönlich bin zudem total glücklich, diese Tour so schnell machen zu können. Als ich im Juni hier im Pflerschtal war, war die Runde aufgrund der Schneemengen noch nicht machbar.

Kommentar schreiben
Kai (Samstag, 07 September 2019 20:26)
Es war das Heftigste, was ich in meinem jungen Leben gemacht habe. Der HH Marathon war echt Pipifax dagegen.
Danke, dass Du mich da hoch gepusht hast! Meine wunden Füße verheilen so langsam. Der erste 3000er wird für immer in meinem Wanderherzen bleiben ❤️