
13. Etappe auf dem K1
Start: Breslauer Hütte
Ziel: Hochjochhospiz
Es hat die ganze Nacht geregnet und es ist merklich kühler geworden. Die heutige Etappe zum Hochjochhospiz soll durch die Variante über die Vernagthütte und die Mittlere und Hintere Guslarspitze (3.128m / 3.147m) aufgepeppt werden. Aber passt das mit dem Wetter? Ab 11.00 Uhr soll es erneut regnen und die Schneefallgrenze soll bis morgen auf 2.500m sinken.
Die Breslauer Hütte bietet für die Wildspitzaspiranten zwischen 5.00 Uhr und 5.30 Uhr Frühstück an. Ich stehe um 4.45 Uhr auf und nutze das frühe Frühstück, um die geplante Tour noch machen zu können. Es ist schon eine besondere Stimmung morgens um 5.00 Uhr beim Frühstück. Die Aufregung der anderen Bergsteiger ist greifbar. Ich lasse mich anstecken, auch wenn es für mich heute "nur" auf die beiden Guslarspitzen gehen soll. Um 5.40 Uhr starte ich an der Hütte, erstes Ziel ist die Vernagthütte, Gehzeit 3 Stunden.

Die Luft ist kalt und feucht an diesem Morgen. Der Weg führt allerdings gutmütig und ohne wesentliche Steigung am Hang entlang. Im Gegenteil: zur Vernagthütte muss ich insgesamt ca. 100 Höhenmeter absteigen. Ich komme auf dem guten und einfachen Steig zügig voran. Dieser verläuft weitgehend eben teilweise über etwas rutschige Platten hoch über dem Ötztal den Hang entlang. Einige wenige Abschnitte sind felsig und teilweise gesichert.


Im Prinzip geht es ähnlich weiter wie gestern: ein weitgehend einfacher Weg, hoch über dem Tal mit teilweise langen Traversen in den Taleinbuchtungen. Insgesamt ein Gelände, in dem ich gut meine Schnelligkeit ausspielen kann und bereits nach knapp einer Stunde die Hälfte der Strecke geschafft habe.


Nach einer guten Stunde erreiche ich einen großen Talkessel, der einiges an Ausblick bietet: zu meiner linken sind die Guslarspitzen erkennbar, vor mir liegt die Vernagthütte, rechts oben blitzt der große Vernagtgletscher unter der Wolkendecke durch. Die Hütte liegt jetzt doch noch etwa 100 Höhenmeter über mir, sodass gleich noch ein Aufstieg ansteht. Zunächst geht es aber noch weiter hinunter um den abfliessenden Gletscherbach des Vernagtferners zu überqueren.

Ich steige hinunter und erreiche bd den tiefsten Pu kt der Tour auf 2.580m. Von hier aus sind es jetzt noch gut 150 Höhenmeter Aufstieg bis zur Hütte. Dieser führt und recht steilen Kehren durch ein Meer an großen Disteln hinauf zur Hütte. Um 7.30 Uhr erreiche ich nach gerade einmal 1 Stunde 45 die Hütte, die mit 3 Stunden Gehzeit angegeben war - zügig unterwegs heute morgen 😄




Ich betrete die Hütte und komme direkt zur Frühstückszeit. Die Gäste scharen sich alle noch um das Frühstücksbuffet, ich begnüge mich mit einem schnellen Skiwasser. Nächstes Ziel ist die Hintere Guslarspitze, die ich in einer guten Stunde erreichen sollte. Ein kurzer Plausch mit einem Holländer auf der Terrasse der Hütte, der ebenfalls sorgenvoll zum Himmel schaut und ich bin gegen 7.45 Uhr auf dem Weg zum ersten Gipfel.

Der Weg führt zunächst wieder ein Stück den Hang hinunter und zweigt dann rechts ab, um einen ersten felsigen Aufschwung in Kehren zu überwinden. Bislang ging es heute weitgehend bergab und ich merke jetzt beim Anstieg doch meine müden Beine der letzten Tage. Hinter mir reisst jetzt aber sogar der Himmel auf, sodass vereinzelte blaue Stellen erkennbar sind. Wird es vielleicht doch Aussicht geben am Gipfel?


Der erste Felsriegel ist überwunden und ich erreiche etwas flacheres Terrain. Allerdings gibt es nur eine kurze Verschnaufpause, bevor der Weg gleich steil in die Einsattellung der Hinteren und Mittleren Guslarspitze hinauf führt. Ich folge dem Weg, der wiedermals gut markiert ist, teilweise über blockiges Gelände, teilweise aber auch in steilen und erdigen Kehren, die einiges an Kraft kosten.

Mit Abstand der anstrengendes Teil bislang. Im steilen Schotter geht es zwei Schritte vor und einen zurück. Mittlerweile ist die 3.000er Grenze überschritten, was sich jetzt im Aufstieg bemerkbar macht. Ich reduziere das Tempo und erreiche dann aber endlich den Sattel, hier gibt's jetzt eine kurze Pause.

Der weitere Weg zum Hochjochhospiz führt hinter der Mittleren Guslarspitze talwärts, sodass ich nun zunächst den finalen Aufstieg zur Hinteren Guslarspitze anpeile. Über grobes Blockwerk geht es etwas mühsam aber letztlich unproblematisch zum höchsten Punkt, der lediglich ein einfaches Holzkreuz ziert. Viel Aussicht gibt es derzeit auch nicht, lediglich einzelne Wolkenfenster lassen einen Blick auf die umliegenden Gipfel zu.

Es ist empfindlich kalt hier oben und die Temperaturen liegen um den Gefrierpunkt. Ich begebe mich wieder an den Abstieg und steuere erneut den Sattel zwischen den Gipfeln an, hier führt der Weg weiter über den Grat zur Mittleren Guslarspitze. Der Übergang über den Grat ist komischerweise unmarkiert. Hier gehört schon etwas Orientierungssinn dazu, um den richtigen Weg zu finden. Die tief hängenden Wolken machen die Orientierung auch nicht besser. Letztlich ist es aber kein Problem und ich steige jetzt wieder Markierungen folgend die letzten Meter zum Gipfel hinauf.

Sonnenschein und Fernsicht sind super, dieses Wetter hat aber auch eine ganz besondere, mystische Stimmung. Die Szenerie verändert sich im Minutentakt. Mal ist der Grat und der Gipfel klar zu erkennen, wenige Augenblicke später hänge ich ohne Sicht in den Wolken. Ich genieße diese besondere Stimmung und steige die letzten Meter empor, aktuell das Gipfelkreuz gut in Sicht.


I'm Gegensatz zur Hinteren Guslarspitze hat die Mittlere Guslarspitze ein tolles Kreuz verpasst bekommen. Aktuell bin ich alleine am Gipfel, allerdings sind bereits die nächsten Bergsteiger im Anmarsch. Bald darauf kommt sogar eine 8-köpfige Gruppe zum Gipfel hinauf. Eigentlich sind die Jungs auf einer Hochtouren und Gletscherwoche unterwegs, bei den heutigen Bedingungen war der eigentlich geplante Fluchtkogel aber nicht machbar.
Jetzt kommt auch die dritte, die Vordere Guslarspitze ins Blickfeld. Der Weg dorthin ist allerdings nicht markiert, selbst Komoot kennt keine Route auf diesen Gipfel. Offenbar geht es in wegloser Blockkletterei über den Grat und hinauf zum Kreuz. Bei gutem Wetter würde mich das jetzt tatsächlich reizen, bei den aktuellen Verhältnissen ist mir das allerdings zu heikel. So begnüge ich mich mit 2 von 3 Guslarspitzen und schlage den Weg Richtung Hochjochhospiz ein.

Der Abstieg führt ein kurzes Stück zurück in die Einsattellung und dann linker Hand talwärts. Im oberen Teil geht's durchaus steil bergab, bevor nach 20 Minuten das Gelände flacher wird. Insgesamt geht's noch 750 Höhenmeter hinunter zur Hütte.

Beim Abstieg kommt jetzt der mächtige Kesselwandferner ins Blickfeld, der nochmal eine spektakuläre Aussicht bietet. Nach etwa einer Stunde wird das Gelände wieder grüner und freundlicher, die Hänge oberhalb der Hütte sind mit bunten Blumen bewachsen, auf einmal eine völlig andere Welt!



Ich laufe die letzten 100 Höhenmeter auf einem gemütlichen Pfad hinunter, die Hütte kommt bereits in Sicht. Ein Bergtag, der mich sehr zufrieden macht: frühmorgendlicher Start in der Dämmerung, zwei tolle 3.000er und vor allem eine trockene Ankunft an der Hütte. Ich beziehe mein Zimmer und habe jetzt einen langen Nachmittag auf der Hütte vor mir, ich bin gespannt wann der angekündigte Regen einsetzt und ob es tatsächlich in der Nacht Schnee geben wird.



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Christopher Griefnow (Dienstag, 04 August 2020 09:17)
Das sieht klasse aus. Halte weiter durch. Liebe Grüße aus Münster