
27. Etappe auf dem K1
Start: Bagolino
Ziel: Idro
Heute geht's von Bagolino nach Idro am Lago d'Idro, dem kleinen Konkurrenten des Gardasee. Der See ist zwar wesentlich kleiner, soll aber dem größeren und ungleich bekannteren Gardasee in Puncto Schönheit in nix nachstehen. Ich bin gespannt...
Das Frühstück an meinem B&B, welches wahrscheinlich aus einem Croissant und Kaffee besteht, wird erst ab 8.00 Uhr angeboten, was mir mit Blick auf einen langen und vor allem heißen Tag zu spät erscheint. So checke ich bereits um 6.45 Uhr aus und hole mir mein kleines italienisches Frühstück an der Bar Marina an der Piazza in Bagolino, die bereits um 7.00 Uhr öffnen. Mit drei gefüllten Croissants und zwei großen Milchkaffee im Bauch verlasse ich Bagolino über die Hauptstraße, die um diese Uhrzeit noch wenige befahren ist, bevor es bereits nach wenigen 100m in südlicher Richtung in den Wald geht.

Ich passiere einige Felder bevor der Waldrand erreicht ist und ich auf einer geteerten Fahrstraße hinauf steige. Es ist bereits jetzt angenehm warm und der wolkenlose Himmel kündigt einen sonnigen Tag an.
Zwischen mir und dem Lago d'Idro liegt noch ein gut 1.500m hoher Gebirgszug, den es auf dem Weg zum See zu überwinden gilt. Der höchste Punkt auf dem Weg, die 1.534m hohe Cima Ora wird dabei knapp unterhalb des Gipfels passiert. Die meisten der in dieser Bergkette liegenden Gipfel sind quasi unbesteigbar: steile, schroffe Felsgipfel, teilweise bis weit hinauf dicht bewachsen, bieten sich nicht für einen Gipfelabstecher an. Kurz vor meinem Ziel macht der Monte Censo diesbezüglich eine Ausnahme und lockt mit einfachem Zustieg und gerade einmal 100 zusätzlichen Höhenmeter, eine Option für den Nachmittag!
Zunächst aber müssen gut 700 Höhenmeter Aufstieg bewerkstelligt werden, bevor der Weg dann in leichtem auf und ab den Gebirgszug überqueren wird.


Es wird auch heute ein einsamer Weg sein, nach einer Stunde unterwegs hat mich bislang lediglich ein Auto auf der Fahrstraße überholt. Hier und da liegen kleinere Häuser und Gehöfte am Wegesrand, die allerdings weitgehend verlassen sind. Diese erklären auch den guten Zustand der Fahrstraße, die mitunter sogar asphaltiert ist. Nach einer Weile endet allerdings der befestigte Weg und mündet in einem kleinen Waldpfade, auf dem es jetzt weiter geht.



Der Wald wird zunehmend dichter, dies war mit Blick auf den Gebirgszug von Bagolino aus bereits absehbar. Die Hänge sind hoch hinauf dicht bewaldet und ich hatte mich bereits auf längere Abschnitte im dichten Wald eingestellt. Ich passiere ein ausgetrocknete Bachbett und steige immer tiefer im Wald hinauf der zunehmend verwunschener und wilder wird. Alte Bäume, große mit Moos überzogene Steine und zahllose Wurzeln bilden hier einen Märchenwald - faszinierend, aber auch ein wenig gruselig, so ganz alleine unterwegs. Und der Weg wird jetzt auch zunehmend steiler, teilweise geht's in engen Kehren im Wald hinauf.


Es ist jetzt nicht nur körperlich anstrengend, mir schlägt das permanente Laufen im Wald zunehmend aufs Gemüt. Es ist bedrückend still und einsam hier und es zeichnet sich kein Ende ab. Nachdem es zwischendurch ein Stück in etwas lichterem Wald auf schmalem Pfad vorwärts ging, führt der Weg jetzt wieder im dichteren Wald weiter. Der Blick nach oben verspricht auch keine baldige Besserung, Bäume und nichts als Bäume sind hier in Sicht. Die ersehnte Sonne lässt noch auf sich warten.



Die Höhenmeter sind jetzt absolviert und tatsächlich gibt der Wald jetzt mal einen seitlichen Blick frei. Es ist schön, endlich mal wieder den Himmel zu sehen und mir ist euch wohler zumute. Noch wohler wird es mir, als ich eine große Lichtung erreiche, die bereits von der Morgensonne lichtdurchflutet ist. Endlich! Ein idealer Platz für eine morgendliche Rast. Ich nehme auf einem Stein Platz, lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen und Blicke auf die dampfenden Wiesen, die von der Kühle der Nacht noch feucht sind.



Es ist eine erlösende und wohltuende Pause, die Sonne gibt mir neue Energie. So begebe ich mich auf den nächsten Abschnitt, der mich jetzt eine Weile im leichten auf und ab bis zum Gipfelabzweig am Monte Censo führen soll. Dabei geht's zunächst an der Lichtung vorbei, bevor ich auf eine kleine Straße erreiche, auf der mein Weg jetzt weiter führt.

Komoot schickt mich nach kurzer Zeit von der Straße zurück in den Wald und es zeichnet sich erneut eine undurchsichtige Wegführung ab. Schon der Abzweig zum Weg ist quasi nicht zu erkennen, ich ahne schon, was mich auf diesem "Weg" wieder erwarten wird. Die Alternative über die Straße ist aber auch keine, in weitem Bogen führt diese ein ganzes Stück in die entgegengesetzte Richtung. So entscheide ich mich für den kleinen Waldpfad und hoffe, dass dieser nicht zu "wild" sein wird.

Der Weg ist quasi nicht erkennbar und schon nach kurzer Zeit tauchen die ersten Hindernisse auf: brusthohe Büsche, ganze Bäume, die quer über dem Weg liegen, hier ist sicher lange kein Mensch mehr gegangen. Fluchend schlage ich mich durchs Unterholz und nehme mir fest vor, in Idro die letzten Etappen nochmal genau zu prüfen. Es ist ein permanentes ringen mit Büschen und Bäumen, die Natur holt sich hier ihren Platz zurück.


Komoot treibt meinen Puls weiter in die Höhe: "Folge dem Weg 450m". "Es gibt hier keinen verdammten Weg" fluche ich, während ich die brusthohen Sträucher mit meinen Stöcken vor mir zur Seite dränge. Nach mühevollen Minuten zeigt sich der "Weg" dann aber doch von seiner gnädige Seite und das Gelände wird offener. Bald ist auch die Straße wieder erreicht, die ab jetzt in richtiger Richtung weiter führt.


Ich folge ein Stück der Straße, die in steilen Kehren weiter führt. Komoot schickt mich erneut in den Wald, allerdings diesmal auf einem markierten Weg, dem ich bereitwillig folge. Der Gipfel des Monte Censo ist hier bereits ausgeschildert. Mit wesentlich besserer Laune folge ich dem Pfad, der mich in knapp 30 Minuten auf den hoffentlich aussichtsreichen Gipfel führen wird.


Ich erreiche den Gipfel und die Strapazen im Wald sind schlagartig vergessen. Bislang war der Tag eher von bedrückender Stille und nervigen Waldpassagen geprägt. Jetzt hier oben am Monte Censo gibt's Licht, Sonne und Freiheit! Und beeindruckende Tiefblicke, der gesamte Lago d'Idro breitet sich zu meinen Füßen aus. Ich lasse mich am Gipfelkreuz nieder, genieße die Aussicht, die Wärme der Sonne und das gleißende Licht und mache erstmal ausgiebig Pause.


Es liegt noch ein Abstieg von 600 Höhenmeter und eine anschließende längere Traverse rund um den Lago d'Idro bevor, sodass ich nach ausgiebiger Rast zum Abstieg aufbreche. Auf angenehmen Bergwege führt der Weg hinunter nach Anfo, der Ort kommt immer wieder schön in Sicht. Teile des Weges führen allerdings auch durch schattigen und kühlen Wald, ein abwechslungsreicher Abstieg mit häufigen schönen Talblicken.



Ich erreiche Anfo und habe somit die Höhenmeter für heute geschafft. Vor mir liegt jetzt noch die 6km lange Strecke nach Idro, die im am Ufer des Lago d'Idro absolvieren werde. Dabei geht's zunächst einmal durch den kleinen Ort Anfo, der bereits touristisch gut erschlossen ist und in Seenähe zahlreiche Cafés und Strandbars bietet.


Nachdem der Weg zunächst recht still und einsam am Ufer des Sees entlang führte, erreiche ich jetzt einige Campingplätze und Strandabschnitte. Der Weg führt dabei immer am Wasser entlang und teilweise auch quer über die kleinen Kiesstrände, die bei dem warmen und sonnigen Wetter gut besucht sind. Mit meinen dicken Bergstiefeln und dem großen Rucksack Pässe ich nicht so recht ins Bild und werde von den Badegästen mitunter kritisch beäugt. Mein Weg führt aber auch tatsächlich zwischen den Handtüchern und Liegen der Badegäste hindurch.


Der kleine Ort Idro ist erreicht und ich laufe die letzten Meter an der Strandpromenade entlang bis zu meinem kleinen B&B. Dieses liegt direkt an einer kleinen Strandbar und verfügt über einige kleine Einzelzimmer mit eigenem Bad. Nach zügigen Check-in genieße ich Panini und den obligatorischen Kuchen im Schatten mit Blick auf den See.

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