
Start: Reichenbach Wanderparkplatz (815m)
Ziel: Entschenkopf (2.043m)
Die Tour auf den Entschenkopf als Überschreitung habe ich bereits länger auf meiner Agenda gehabt. Aber auch dieses mal kommt die ins Auge gefasste "große Runde" über Entschenkopf, Gaißfuß, Gaisalphorn und Rubihorn nicht in Betracht. Beträchtliche Schneemengen in den höheren Lagen machen meine Pläne zunichte, insbesondere im Bereich des Gaisalphorns und dem weiteren Übergang zum Rubihorn ist bei diesen Verhältnissen ein Übergang ausgeschlossen. Zumindest der Entschenkopf als Gipfelziel, je nach Verhältnissen auch mit Überschreitung soll es dann aber doch sein. So breche ich um kurz nach 8.00 Uhr am Wanderparkplatz in Reichenbach Richtung Gipfel auf.
Mal abgesehen von den Altschneemengen sind die Bedingungen heute auch aufgrund der aktuellen Wetterlage nicht optimal. Es regnet ergiebig und tatsächlich ist auch keine Besserung angekündigt. So bin ich bereits ab Parkplatz dick eingepackt in Regenmontur unterwegs und froh, ziemlich schnell in den Wald und den Tobelweg einzutauchen, wo die Bäume etwas Schutz bieten.


Der Weg durch den Tobel ist mir noch von meiner Rubihorn-Tour in Erinnerung geblieben. Zunächst auf Schotterwegen, später dann auf schmalen Bergpfaden und teilweise über Brücken geht es beidseits des Tobels weiter hinauf. Teilweise schützen die Bäume etwas vor dem Regen, der Weg ist bereits jetzt in keinem guten Zustand mehr insbesondere an den steilen Stellen rutschig. Zumindest sind die Temperaturen eträglich und zumindest hier unten im Tal noch deutlich zweistellig. Der Regen nervt natürlich trotzdem und ich bin bereits nach der ersten halben Stunde ziemlich nass. Die Ausrüstung hält aber Stand, bislang perlt alles von Jacke, Hosen und den Schuhen ab, mal sehen, wie lange das Material heute hält...


Das Gelände öffnet sich jetzt etwas und ich erreiche Alm- und Wiesengelände und kurz darauf auch die Gaisalpe, die so früh am Morgen auch noch verwaist ist. Ohnehin war hier keine Einkehr geplant nach gerad einmal 45 Minuten Gehzeit. Eine Einkehr und Kaffeepause zu diesem Zeitpunkt würde vermutlich auch nur Zweifel sähen, ob die Fortsetzung der Tour bei diesem Wetter überhaupt angezeigt ist. So schreite ich tapfer weiter, wo der Weg oberhalb der Alpe erneut in den Wald eintaucht.


Das Gelände zieht jetzt im Wald deutlich an, es sind auch immerhin noch fast 700 Höhenmeter zu gehen. Teilweise in steilen Kehren zieht der Pfad im Wald bergauf, teilweise immer wieder von Wiesengelände unterbrochen. Es regnet beständig und der Blick gen Himmel verspricht auch keine Besserung. Immerhin bin ich genau mit diesem Wissen heute morgen aufgebrochen und weiß, das ich vermutlich den gesamten Tag im Regen unterwegs sein werde. Überraschend ist das also nicht, dennoch hoffe ich weiter auf zumindest ein paar halbwegs trockene Abschnitte. Erst einmal kommt die Rubihütte in Sicht, eine private Hütte auf 1.500m, die ich für eine erste Rast nutze. Ich quetsche mich auf eine kleine Bank und dem leicht überstehendem Dach und sitze so zumindest für ein paar Minuten im trockenen.


Nach kurzer Rast breche ich wieder auf, kein Wetter um lange irgendwo zu verweilen. Auch wenn die Ausrüstung dem Regen nach wie vor standhält, ist alles pladdernass und auf Dauer doch auch kühl, sodass ich schnell wieder ins laufen kommen möchte. Der Weg zieht erneut in den Wald hinein und ich sollte demnächst einen Abzweig erreichen. Auf dieser Hochebene teilt sich der Weg, linkerhand gehts weiter zu den Sonnenköpfen, rechts weiter hinauf zum Entschenkopf. Diesen erreiche ich tatsächlich nach insgesamt 2 Stunden und erhalte hier auch einen ersten Blick auf den Entschenkopf, dessen felsige Nordflanke bedrohlich und abweisend daher kommt. Ab jetzt acheint die Tour nochmal an Anspruch zu gewinnen, bald werde ich die gemütlichen Waldwege verlassen und in den felsigen Gipfelaufbau einsteigen, der mit Kletterstellen im ersten Grat aufwarten wird.



Das Gelände verändert sich jetzt deutlich. Die Nordseite ist teilweise noch gut mit Schnee eingedeckt und das Gelände wird insgesamt felsiger, steiler und anspruchsvoller. Ich folge den sichtbaren Spuren durch den Schnee über die Schulter und erreiche bald den steinigen Gipfelaufschwung. Zumindest laut Karte beginnt jetzt hier der finale Aufstieg für die restlichen 200 Höhenmeter. Die Felsen sind bei der Nässe rutschig und die Steigspuren verlieren sich immer wieder im Fels, sodass ich immer wieder nach dem rechten Weg schauen muss.

Es ist jetzt doch eine Menge Entschlossenheit notwendig in diesem Teil. Es ist mit zunehmender Höhe - aktuell knapp unter 2.000m - doch empfindlich kalt und auf dem Grat auch windig geworden, zudem ist die Wegfindung teilweise uneindeutig. Ich kraxel über eine Felsnase, eine Stelle im IIer-Bereich, bevor ich feststelle, dass der eigentliche Weg viel weiter links verläuft und natürlich einfacher ist. Die Markierungen sind teilweise kaum noch zu erkennen und ich muss mich immer wieder neu orientieren. Nach einer Weile lehnt sich das Gelände zurück und ich erreiche den finalen Gipfelgrat, das Kreuz bereits in Sicht. Auf diese Stelle habe ich lange gewartet und bereits vorher auf vielen Bildern genau studiert. Ein Gipfelgrat nach meinem Geschmack, lang gezogen leicht steigend und gegen Ende hin durchaus schmal zieht sich ein schmaler Pfad dem Kreuz entgegen. Im Hintergrund bilden die schneebedeckten Flanken von Gaisfuß und Gaisalphorn sowie das Rubihorn zu meiner linken eine perfekte Kulisse. Die Strapazen des Aufstiegs sind vergessen und ich genieße die letzten 100 Meter bis zum Kreuz am höchsten Punkt.



Der Gipfel ist verwaist und er wird heute vermutlich auch keine weiteren Besucher zu Gesicht bekommen. Ich bin beim Zustieg keiner Menschenseele begegnet und auch auf der anderen Seite, wo der Weg auf dem Grat hinunter Richtung Gaisalpsee führt, ist kein Mensch in Sicht. Das sind die Vorteile bei diesen Bedingungen, gehört der Entschenkopf doch normalerweise zu den vielbesuchten Gipfel rund um Oberstdorf. Lange Zeit, um die Aussicht und den Gipfelerfolg zu genießen, nehme ich mir allerdings nicht. Es ist windig, kalt und nass und vor mir liegt noch der Abstieg über 1.200 Höhenmeter. Trotz des Regens, der aktuell eher wieder stärker wird, entscheide ich mich für die Überschreitung, auch wenn diese sicherlich um eine Stunde länger ist als er abstieg über meinen Aufstiegsweg. Der Gipfelerfolg hat mich allerdings gestärkt und ich habe Lust, dem Grat weiter zu folgen, der langgezogen Richtung Gaisalphorn hinüber zieht und auch weitgehend schneefrei zu sein scheint.


Der Abstieg über den Grat ist trotz des fiesen Wetters ein Genuss. Schmal aber an keiner Stelle wirklich ausgesetzt verläuft der Weg tendenziell leicht abfallend weiter in südlicher Richtung Richtung Gaisalphorn. Tief unter mir liegt der untere Gaisalpsee, der obere Gaisalpsee ist noch nicht in Sicht, soll aber gleich noch passiert werden. Das Gelände wechselt jetzt zwischen gut gehbaren Pfaden und teilweise steilen Kraxelstellen im Fels. Und es sind einige kleine Gegenanstiege zu gehen, mit denen ich gar nicht mehr gerechnet habe. Insgesamt zieht sich der Weg ganz schön in die Länge, bevor ich teilweise im dichten Latschengelände an einen Abzweig komme. Geradeaus gehts weiter hinauf Richtung Gaisalphorn und auch Nebelhorn, rechts gehts hinab Richtung Gaisalpsee. Ich prüfe nochmal die Verhältnisse und stelle aber erneut fest, dass der gesamte Weg hinauf und auch der Grat schneebedeckt ist. Ich werde die große Runde mit Gaisfup, Gaisalphorn und Rubihorn an einem anderen Tag machen müssen, ich biege rechts ab hinunter Richtung oberen Gaisalpsee.


Der Abstiegsweg ist hier teilweise nicht mehr zu erkennen, eine geschlossene Schneedecke zieht hinunter zum Gaisalpsee. Durch den Regen ist der Schnee teilweise weich und sulzig, ich versuche mich im kontrollierten rutschen und gleiten und komme so tatsächlich zügig hinab. Die Schneehöhe liegt teilweise noch bei über 1,5m, am Abzweig guckten lediglich die letzten 5cm des Pfahls aus dem Schnee hinaus. Auch der obere Gaisalpsee ist noch weitgehend eingefroren und lediglich an einigen Stellen glitzert das blaue Eiswasser zwischen dem Schnee hindurch. Insgesamt eine tolle, teilweise winterliche Kulisse!



Ich bin sehr froh, dass ich diesen Weg für den Abstieg gewählt habe, hier hochzukommen wäre eine Tortur geworden und auch von der Wegfindung eine Herausforderung. Im tiefen Schnee sind kaum Spuren zu sehen und ich sinke teilweise auch knietief ein. So versuche ich weiterhin die rutsch- und Gleittaktik und komme so dann doch zügig hinunter. Einem genauen Weg folge ich nicht sondern orientiere mich grob anhand meines GPS. Der Weg führt dabei in einem Bogen um den oberen Gaisalpsee herum und dann in einer lang gezogene Rechtskurve hinunter zum unteren Gaisalpsee. Tief unten sehe ich dann auch das erste mal andere Wanderer, die mir im dort noch schneefreien Gelände entgegen steigen. Als sie die ausgedehnten Schneefelder erreichen zögern sie allerdings und drehen schlussendlich um, einen weiteren Aufstieg hätte ich auch tatsächlich nicht empfehlen können.
Nach kurzer Zeit hole ich die beiden ein, die eigentlich zum oberen Gaisalpsee aufsteigen wollten und dann im tiefen Schnee umgedreht sind. Eine gute Entscheidung aus meiner Sicht :-)


Am unteren Gaisalpsee sind dann doch noch eine handvoll anderer Wanderer. Zwei von Ihnen wollen Richtung Nebelhorn und Edmund-Probst-Haus aufsteigen und fragen mich nach den Verhältnissen. Nachdem sie von den Schneemengen erfahren, die hier unten am See gar nicht wirklic einsehbar sind, nehmen sie Abstand von den Planungen. Ich folge der Beschilderung Richtung Gaisalpe, der Abstieg ging bislang sehr zügig von statten und ich habe die Hoffnung, in ca. 1,5 Stunden wieder am Auto zu sein.

Knie und Füße machen heute alles mit und vor allem keine großen Probleme, ich kann mir ein sehr zügiges Tempo beim Abstieg erlauben und fliege quasi die jetzt doch weitgehend einfachen Bergwege hinunter. Das Gelände läuft auf dieser Seite noch weitgehend über schmale Bergpfade und läuft dann Richtung Gaisalpe langsam im Wiesengelände aus, jetzt ist es nicht mehr weit bis zum Auto. Auch wenn die Ausrüstung nach wie vor dem Regen standhält bin ich etwas durchgefroren und nass und freue mich auf eine heiße Dusche und einen heißen Kaffee.

An der Gaisalpe ist jetzt am frühen Nachmittag auch nicht mehr los als heute morgen, das Wetter ist einfach zu schlecht. Ich entscheide mich wie beim Aufstieg für den Tobelweg ins Tal, der abwechslungsreicher und spannender ist, als der Abstieg über die Fahrstraße. So schließt sich die Runde und ich blicke nach 6 Stunden auf eine tolle Bergtour zurück. Trotz des permanenten Regens war es eine super Tour mit herrlichen Ausblicken und bei den Verhältnissen teilweise abenteuerlichen Passagen. Toll auch, diesen Berg heute ganz für mich alleine gehabt zu haben, das ist auch alles andere als selbstverständlich. Für das nächste mal nehme ich mir die Verlängerung über Gaisfuß, Gaisalphorn und Rubihorn vor, hierfür brauchts aber schneefreie und trockene Verhältnisse!

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Sabrina Schmidt (Mittwoch, 28 Juli 2021 21:10)
Lieber Philipp,
da warst du Anfang Juni im Allgäu und hast mir nicht Bescheid gegeben ...
Ich bin schwer enttäuscht :) Schöne Tour auf den Entschenkopf und bei weitem nicht so überlaufen wie das Rubihorn. Obwohl du ja eh keiner Menschenseele begegnet bist. Die Tour auf den Entschenkopf habe ich genau so rum auch schon gemacht, allerdings bei deutlich besseren Bedingungen. Dieses Jahr hat sich der Schnee leider besonders lange in den Bergen gehalten. Ich konnte keine Angaben finden, in welchem Zeitraum du dein Projekt K2 in die Tat umsetzt. Aber ich nehme an du bist aktuell unterwegs, weil der Countdown auf Null steht. Wenn du wieder wohlauf zurück bist, richte ganz liebe Grüße an Christian, Heike, Britta und Johanna aus.