
5. Etappe auf der Virgenrunde
Start: Sajathütte (2.600m)
Ziel: Defreggerhaus (2.962m)
Mit der heutigen Etappe machen wir uns auf den Weg zum Großvenediger, dessen Besteigung am morgigen Tag ansteht. Zunächst gilt es aber den Aufstieg zum Defreggerhaus zu bewältigen. Mit Start an der Sajathütte ein tagesfüllendes Programm. Vorallem als wir erfahren, das der geplante Weg bereits seit längerer Zeit durch einen Felssturz unbegehbar ist und wir einen Umweg nehmen müssen. Dieser führt uns erneut auf den Schernerskopf und über den steilen Felsriegel, den wir gestern im Abstieg überwunden haben. Das Wetter spielt heute allerdings mit und wir starten bei lockerer Bewölkung in diesen Tag.

Wir steuern also erneut den Talkessel an und mit jedem Schritt rücken die umliegenden Felswände näher. Wie in einer Arena bauen sich die Gipfel vor uns auf und wenn wir nicht wüssten, wo der Weg gleich über die nahezu senkrechte Wand weiter führt, würden wir bezweifeln, dass wir dort vor uns wirklich weiter kommen...

Nach zunächst moderater Steigung zieht der Weg unterhalb des Wandfußes jetzt merklich an, wir steigen über Schotter und Geröll dem Wandfuß entgegen. Wir sind wohl die ersten hier heute auf der Strecke, vor uns ist noch kein anderer Wanderer zu sehen und bislang folgt uns auch niemand so früh am morgen. Wir genießen die ersten Sonnenstrahlen des Tages und begrüßen eine recht zutrauliche Herde Schafe, die uns unmittelbar unterhalb des steilen Felsriegel erwartet.

Der Aufstieg über die nahezu senkrechte Wand führt in engen und ausgesetzten Kehren hinauf. Die Sicherungen sind uns erneut willkommen, wie an einem Geländer steigen wir hier hinauf. Technisch ist das nicht anspruchsvoll, mit zunehmender Höhe ist der Blick in die Tiefe aber wieder spektakulär. Wir gehen in einem Zug durch, steigen oberhalb der Wand noch über einige kleine Felsstufen und stehen dann am Gipfel des Schernerskopfs, der durch eine kleine Steinpyramide markiert ist.

Auch wenn unser heutiges Ziel knapp an der 3.000er Marke liegt, müssen wir nun ein ganzes Stück bis auf gut 2.000m absteigen. Der Aufstieg zum Defreggerhaus führt über die Johannishütte, die auf 2.121m nahe am Talboden liegt und die wir als Ziel für den späten Vormittag und ein zweites Frühstück anvisieren. So verlassen wir die kleine Hochebene am Schernerskopf und steigen in die nördliche Bergflanke ein, wo wir noch einige kleine Schneefelder queren müssen. Die gestern bestiegene Tulpspitze zeigt sich nochmal von ihrer schroffen Seite und erfüllt uns erneut etwas mit Stolz - das war schon eine tolle Tour gestern mit spannenden Stellen in leichter Felskletterei.

Während uns die ersten Wanderer von der Johannishütte entgegen steigen, verlassen wir allmählich die felsigen Regionen und befinden uns bald im grünen Almengelände. Herrliche Ausblicke ins unter uns liegende Defreggertal und auf die andere Talseite begleiten uns, während wir zügig der Hütte entgegen steigen.

Kurz vor erreichen der Johannishütte bieten sich die ersten Gletscherblicke und geben uns einen Vorgeschmack auf die kommenden Tag. Die dicken Eispanter glänzen in der Sonne, sind von hier aus aber noch eine ganze Ecke entfernt. Wir steuern die Johannishütte an und gönnen uns erstmal ein zweites, etwas reichlicheres Frühstück.

Die Rast hat gut getan und gibt uns Kraft für den jetzt anstehenden Aufstieg zum Defreggerhaus. Wir queren einen Bachlauf und steigen dann im schönen Wiesengelände den mächtigen Gletschern entgegen. Einige Kühe grasen am Wegesrand und bieten eine herrliche Kulisse bei immer noch bestem Bergwetter!

Mit zunehmender Höhe wird die Aussicht spektakulärer. Die Gletscher rücken näher und sogar die 3.300m hohe Weißspitze kommt nochmal in Sicht, die wir vor einigen Tagen bei weniger gutem Wetter besuchten. Heute gibt es allerdings nichts zu meckern, über gemütliche Bergwege führt der Weg zur Hütte hinauf und ist trotz einer Höhe von bereits über 2.500m noch entspannt zu gehen, sodass wir die Aussicht in vollen Zügen genießen.


Es ist ein herrlicher Tag und die Vorfreude auf den Großvenediger steigt mit jedem Schritt, den wir auf die weiten Gletscherflächen vor uns machen. Im letzten Teil wird das Gelände erneut felsig, bleibt aber gutmütig zu gehen, sodass wir nach etwas mehr als 2 Stunden nach verlassen der Johannishütte auf die Terrasse des Defreggerhaus treten. Etliche Bergsteiger genießen hier nach erfolgreicher Gipfeltour die Sonne, Helme, Seile, Eispickel und Klettergurte soweit das Auge reicht, eine entspannte Atmosphäre ist das hier oben. Auch wir genießen die Sonne auf der Terasse, bevor wir uns zur Vorbesprechung des morgigen Tages mit Hüttenwirt Peter treffen und die Tour besprechen.

Das Defreggerhaus ist eine ursprüngliche und gemütliche Berghütte und hat sich den Charakter einer Schutzhütte behalten. Ein hellhöriger Holzbau ohne Duschen und Warmwasser, aber mit viel Herzlichkeit betrieben, wir fühlen uns sehr wohl und freuen uns darauf, nach der Tour morgen hier eine weitere Nacht zu verbringen. Unser Bergführer Peter ist 70 Jahre alt und seit fast 40 Jahren hier Hüttenwirt auf dem Defreggerhaus - eine Legende. Wir besprechen die Tour, die voraussichtlich beste Bedingungen und einen herrlichen Sonnentag haben wir und gehen mit Blick auf den langen Tag und den frühen Start morgen zeitig zu Bett.
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