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Über die Hochkarscharte und den Mullwitzkogel zur Clarahütte - die 9. Etappe auf der Virgenrunde

9. Etappe auf der Virgenrunde

Start: Essener-Rostocker-Hütte (2.208m)

Ziel: Clarahütte (2.038m)

 

Die heutige Etappe steht unter keinem guten Stern: Noch ist es trocken, allerdings ziehen bereits dunkle Wolken durchs Maurertal und es ist erneut mit einer großen Regenmenge zu rechnen. Und das bei einer Etappe, die uns über die fast 3.000m hohe Hochkarscharte und durch anspruchsvolles Gelände führen soll. Die Überlegung, den wesentlich einfacheren Weg über das Tal zu nehmen, verwerfen wir dennoch. Die Strecke rund um die Hochkarscharte soll äußerst reizvoll sein und ein Abstieg ins Tal kommt für uns nicht in Frage. So starten wir bereits morgens in Erwartung des Regens in voller Montur und verlassen die Essener-Rostocker Hütte Richtung Süden.

Zunächst steigen wir unterhalb der schottrigen Wände des Rostocker Ecks über Wiesengelände, bevor wir in ein kleine Senke absteigen, um über eine Brücke einen Bachlauf zu queren. Und tatsächlich sind wir keine 30 Minuten unterwegs, als bereits der Regen einsetzt...

Es war angekündigt und zu erwarten, dennoch dachten, noch etwas länger trocken unterwegs sein zu können. Mittlerweile steuern wir auch bereits stark auf die Hochkarscharte zu, sodass eine Umkehr und der Weg über das Tal jetzt keinen Sinn mehr ergibt. Wir passieren einen grasigen Steilhang, der mit Ketten und Seilen immer wieder gesichert ist und bei Nässe jetzt volle Konzentration erfordert. So gewinnen wir schnell an Höhe und verlassen das Felsgelände auf einem Geländeabsatz, wo es jetzt in engen Kehren einen Hang hinauf geht.

Während unter uns im Virgental teilweise sogar die Sonne scheint, hat uns ein dickes Regenband fest im Griff. Mit zunehmender Höhe wird es jetzt auch empfindlich kalt, die Grenze von 2.700m haben wir mittlerweile überschritten. Die Kehren wollen kein Ende nehmen und so stapfen wir kalt und durchnässt der Scharte entgegen.

Wir erreichen die Hochkarscharte auf 2.888m, wo ein eisiger Wind geht. Wir suchen uns eine halbwegs windgeschütze Stelle, trinken einen Schluck und essen eine Kleinigkeit. Das Wetter und der Aufstieg über immerhin gut 600 Höhenmeter hat ganz schon am Akku gezogen, allerdings ist noch nicht einmal die Hälfte der Etappe geschafft. Zumindest dann, wenn wir dem eingeplanten Mullwitzkogel tatsächlich noch einen Besuch abstatten wollen. Vor uns ziehen die Wolken etwas auf und wir vertagen die Entscheidung nochmal. Möglicherweise lässt der Regen gleich nach und der Gipfelabstecher sitzt noch drin.

Wir steigen hinter der Scharte in eine langgezogene Senke ab und betreten somit das benachbarte Umballtal. Der Himmel wird heller und es hört tatsächlich auf zu regnen, sodass wir uns wieder Hoffnungen auf den Gipfel machen. Wir erreichen den Abzweig und der Gipfel liegt bereits in Sichtweite, sodass wir entscheiden, diesen kleinen Abstecher noch mitzunehmen. Der Gipfel soll einen herrlichen Ausblick ins Virgental gewähren, mal schauen, wie das bei den heutigen Wetterverhältnissen aussieht...

Der Gipfel ist über einen schmalen und zunehmend steilen Bergweg schnell gewonnen. Der Mullwitzkogel auf 2.767m bietet tatsächlich eine tolle Aussicht und liegt hoch über dem Talschluss des Virgentals. Im Prinzip stehen wir hier jetzt auch am Übergang von der Venedigerseite zur Lasörlingseite, beide Bergketten sind von hier aus gut einsehbar. Wir rasten einen Moment und sind froh, für dieses kurze trockene Zeitfenster, während von Süden erneut schwarze Wolken heranziehen.

Zu unserer linken zeigt sich das gesamte Venedigermassiv mit Großvenediger und Rainerhorn. Bei guter Sicht sicherlich ein herrlicher Anblick. Heute erhaschen wir nur ein paar trübe Blicke, wenn die Wolken für einen Moment den Blick auf die Gletscher freigeben. 

Wir verlassen den Gipfelbereich und steigen jetzt hinunter ins vordere Umballtal, welches uns dann weiter hinauf zur Clarahütte führen wird. Ca. 700 Höhenmeter Abstieg stehen jetzt an. Wir passieren eine kleine Schäferhütte, an der wir nochmal eine kleine Rast einlegen. Auf der anderen Talseite braut sich schon wieder etwas zusammen und vermutlich wird der Regen gleich wieder einsetzen.

Tatsächlich setzt erneut Regen ein, glücklicherweise erfolgt der Abstieg ins Tal aktuell über einen gut ausgetretenen Pfad. So laufen wir schweigend im strömenden Regen, gedanklich bereits in der warmen Stube der Clarahütte und der Frage, welche wärmenden Speisen und Getränke wir wohl gleich als erstes bestellen werden. Die Freude auf eine warme Dusche war wohl selten so groß wir am heutigen Tag.

Das Gelände wird jetzt zunehmend steiler und die Wiesen teilweise felsdurchsetzt. Jetzt ist doch wieder Vorsicht geboten, wollen wir nicht auf den nassen Felsen und dem steilen Gras ins Rutschen kommen. Zumindest ist die Talsohle jetzt in Sicht, dann beginnt der Schlussspurt hinauf zur Clarahütte.

Wir sind müde und durchnässt, Spaß macht das hier jetzt wirklich nicht mehr. Der Weg hinauf zur Hütte zieht sich wie Kaugummi, noch eine weitere Stunde werden wir hier unterwegs sein. Der Dauerregen hat den Weg aufgeweicht und teilweise komplett unter Wasser gesetzt, wobei das mittlerweile auch egal ist. Wir sind von Kopf bis Fuß durchnässt, das hält die beste Regenkleidung nicht aus. Wir hoffen, gleich auf der Hütte gute Möglichkeiten zum Trocknen zu haben!

Und dann ist es endlich geschafft. Wir erreichen die kleine Clarahütte, in der ein Kachelofen die Stube erwärmt. Es sind bereits einige andere Wanderer hier durchnässt angekommen und wir Hängen unsere Nassen Sachen auf die letzten freien Plätze über dem Ofen. Nach einer warmen Dusche, einer heißen Suppe und einer Tasse Kaffee sieht die Welt schon wieder anders aus!

Wir genießen den Abend auf dieer gemütlichen Hütte und stellen wieder einmal fest: auch so ein Tag wie heute, hat seinen besonderen Reiz. Bei widrigen Verhältnisse diese Etappe gemeistert zu haben, den geplanten Gipfel erreicht zu haben und jetzt bei einem Glas Rotwein in der warmen Stube zu sitzen macht einfach zufrieden. Trotzdem hoffen wir auf besseres Wetter für den morgigen Tag, wo mit der Rotenmannspitze ein weiterer 3.000er geplant ist.

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  • #20

    eckard_schuster (Sonntag, 02 Mai 2021 16:34)

    Hallo Philipp, 2019 sind wir auf unserer 24 tägigen Alpenüberquerung durch die Venedigergruppe und Virgen-Lasörlinggruppe gekommen. Das Venedigergebiet hat uns so gut gefallen, daß ich mich zur Zeit in der Planung für eine 16 tägige Venedigerumrundung für das Jahr 2022 befinde. Ich schaue mal, ob ich etwas für meine Planung bei Dir abschauen kann. Aber im Großen und Ganzen steht die Tour. In meinem Instagram sind die Bilder der Etappen hinterlegt. MfG Frank

  • #19

    Wilco (Freitag, 11 September 2020 17:23)

    Hello Philipp,

    Thank you for your great blogs on the Heilbronnerweg.
    The photos on your website helped me a lot with the preparation on this route and what I would encounter.
    Hopefully you will publish a blog on the Watzmann in the future :), but in the meantime I wish you all the best.
    I will definitely find more inspiration for future tours on your website the upcoming months!

    Stay safe!

  • #18

    Othmar (Samstag, 05 September 2020 08:29)

    Sehr sehr sehr geil. Danke, da ist so viel Anregung dabei. Vielleicht wird das mit meiner Alpenüberquerung noch was

  • #17

    Moni (Montag, 31 August 2020 17:23)

    Hallo Philipp!
    Ich bin total begeistert von deinem Mut, Selbstvertrauen und Disziplin deine eigene Alpenüberquerung durchgezogen zu haben. Insgeheim träume ich auch schon seit Jahren von einem ähnlichen Projekt, hatte jedoch noch nie die Energie aufgebracht es in die Tat um zu setzen. Darum bewundere ich dich sehr. Du hast mir gezeigt, dass es möglich ist und das motiviert mich extrem. Vielleicht packe ich es tatsächlich in 2 Jahren an!
    Ich wünsche dir noch viele schöne Bergmomente und dass du immer gesund wieder ins Tal kommst!

  • #16

    Jürgen und Ruth (Freitag, 21 August 2020 12:10)

    Herzlichen Glückwunsch zu deiner erfolgreichen und spektakulären K1 Alpenüberquerung. Mit Spannung haben wir täglich deinen Blog erwartet, vielen Dank dafür , auch für die fantastischen Fotos, virtuell waren wir auch dabei. Wir wünschen dir jetzt eine angenehme und problemlose Heimreise und freuen uns auf das Wiedersehen.
    Ganz liebe Grüße Jürgen und Ruth

  • #15

    Kerstin (Dienstag, 18 August 2020 17:14)

    DANKE für die tolle Tourenbeschreibung des Heilbronner Weges. Insbesondere der Bockkarkopf ist für mich interessant. Die vielen detaillierten (!) Fotos helfen mir sehr, die Tour für unsere ganze Familie gut einschätzen zu können.

  • #14

    Hans 100 (Donnerstag, 23 Juli 2020 16:17)

    Zum Eurem Bericht Weißspitze:
    Gestern bin ich - seit 4 Wochen 80 Jahre alt - auf den Weißspitzengrat gestiegen. Von Kematen (ca. 1400 m, stdl. Bus von Sterzing) via 4 auf das Schlüsseljoch, 3A aufs Jaufenjoch, dann Weg 3 zur Rollspitze, zunächst einfach, dann ca.
    1 Stunde steil in teils schlecht markierten Steinfeld aufwärts. Anschließend leicht auf die Rollspitze, 2800 m. Kurz vor der Amthorspitze 2748 m wurde es schwierig mit Klettern II. Allein und da ich vor allem nicht wußte, wie es auf dem Grat weiterging, kehrte ich wieder um, stieg aber, um das steile Steinfeld zu vermeiden, weglos in das Brennerautobahn-Tal ab, bis ich auf Weg 11 stieß. Runter via 11A zur S12 zur großen Doppel-Tornante und 2,5 km Landstraß4 bis zum Bahnhof Gossensass. Letzter Zug um 22.02 nach Sterzing. Ca. 1400 bis 1500 HM, 13 Stunden. 2 kurze Gewitter.

    DANKE DANKE DANKE für Euren Saun-Weißspitze-Bericht. Ich erfahre von Euch, daß es somit ohne größere Probleme machbar ist. Plan: Sterzing (ca. 1000 m) auf dem Grat bis Weißspitze und wieder zurück. Mal sehen, was noch geht.

    Die Aussicht vom Grat ist wirklich wahnsinnig schön! Und herrlich einsam. Schafe, Kühe, Ochsen, Murmeltiere, keine Menschen auf der gesamten Tour. Was wird rund um die Sella los sein? Hunderte!
    Herzlichst!
    Hans 100

  • #13

    Katti (Sonntag, 19 Juli 2020 22:31)

    „Geh den Weg,
    der einen steinigen Aufstieg hat.
    Spüre die Sonne,
    die dich wärmt.
    Atme die Luft,
    die dich die Freiheit spüren lässt.
    Habe ein Ziel in Sicht,
    welches dir den Weg weist.“

    Philipp, ich wünsche dir alles Gute!

    Gruß, Katti M.

  • #12

    Ralf (Sonntag, 19 Juli 2020 21:37)

    Hallo Philipp,

    ich wünsche dir für morgen einen guten Start in dein Projekt! Ich werde hier immer wieder lesen, was du so zu berichten hast :-) Genieß die Zeit und pass gut auf dich auf!

    Viele Grüße, Ralf

  • #11

    Anna (Sonntag, 19 Juli 2020 21:25)

    Alles Gute auf all' deinen Wegen, Bruderherz! Pass auf dich auf!!

  • #10

    dj ötzi (Samstag, 04 Juli 2020 14:09)

    1000 höhenmeter im Schnitt und 5,6stunden Gehzeit pro tag. Ordentliches Programm. Viel erfolg!!

  • #9

    Max (Sonntag, 28 Juni 2020 21:02)

    geiles Projekt, mal sehen wo irgendwann der M1 langführt...

  • #8

    Carolin (Sonntag, 21 Juni 2020 20:48)

    Ein tolles Projekt mit deinem "K1", ich werde das weiter verfolgen. Viel Spaß bei deiner Tour!

  • #7

    Kai (Freitag, 15 Mai 2020 09:37)


    Der frohe Wandersmann
    Joseph von Eichendorff

    Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
    Den schickt er in die weite Welt,
    Dem will er seine Wunder weisen
    In Berg und Wald und Strom und Feld.
    Die Trägen, die zu Hause liegen,
    Erquicket nicht das Morgenrot,
    Sie wissen nur vom Kinderwiegen,
    Von Sorgen, Last und Not um Brot.

    Die Bächlein von den Bergen springen,
    Die Lerchen schwirren hoch vor Lust,
    Was sollt’ ich nicht mit ihnen singen
    Aus voller Kehl’ und frischer Brust.

    Den lieben Gott nur laß’ ich walten;
    Der Bächlein, Lerchen, Wind und Feld,
    Und Erd’ und Himmel will erhalten,
    Hat auch mein Sach’ aufs Best’ bestellt.

    Viel Erfüllung und Glück auf all Deinen Wegen, mein lieber Freund.

  • #6

    Röve (Freitag, 08 Mai 2020 22:28)

    Was denn mit dem Watzmann?

  • #5

    Alex Haug (Montag, 30 September 2019 22:46)

    Toller Blog mit super Beschreibungen �

  • #4

    Sven (Donnerstag, 26 September 2019 23:20)

    Netter Blog und schöne Routenbeschreibungen. Viel Spaß bei Deinen weiteren Touren und deren Dokumentation hier :)

  • #3

    Christian (Dienstag, 18 Juni 2019 13:30)

    Schöner Beitrag, Philk. Tolles Foto auf die drei Zinnen. Schöne und sichere Tour weiterhin. Bis bald beim Gipfelstürmer Scp. Lg Christian

  • #2

    Norbert Kohlmann (Samstag, 02 März 2019 13:29)

    "Wo ein Begeisterter steht, da ist der Gipfel der Welt. "

  • #1

    Heike Schwering (Dienstag, 12 Februar 2019 11:14)

    "Demut gebietend und erhebend zugleich, kaum etwas in der Natur flößt uns soviel Ehrfurcht ein wie der Anblick von Bergen." (Kofi A. Annan)

    Sitz der Götter, Hexentanz und Heimatidyll, heilige Kultstätte und Heidis heile Welt. Das, was für viele Menschen die gefühlte Verbindung zwischen Erde und Himmel zu sein scheint, ist für mich ein wunderschönes Geröll des (Er)Schreckens.
    Zu hoch, zu stark, zu unberechenbar, zu übermächtig.

    Nein, ein Bergfreund im klassischen Sinne bin ich nicht.
    Aber gewiss ein Bewunderer derer, die sich mutig und respektvoll aufmachen, jene magischen Erhebungen zu erkennen und zu erklimmen.
    Mich hält die Schwerkraft demütig unten.

    Doch fühle ich mich reich beschenkt
    durch diese authentische und beherzte Seite
    dem Himmel trotzdem ein Stück näher sein zu können.

    Vielen Dank dafür!