Zu Fuß über die Alpen! Ein Traum, den wohl viele Weitwanderer und Bergsteiger verbindet. Auch ich träumte von einer Alpenüberquerung, und wollte diesen Traum mit diesem Projekt verwirklichen.
Es gibt eine Menge Möglichkeiten, die Alpen zu überqueren. Die wohl bekannteste ist der E5 von Oberstdorf nach Meran. Aber Meran? Eigentlich liegt Meran mitten in den Alpen, eine richtige Überquerung ist das nicht...
Auf dem Traumpfad von München bis Venedig überquert man die Alpen zweifelsohne. Die Tour startet und endet sogar im Alpenvorland, eine in jedem Fall spektakuläre und würdige Route.
Sowohl E5 als auch der Traumpfad sind in zahlreichen Wanderführern, Büchern und sonstigen Veröffentlichungen beschrieben und dokumentiert. Der E5 gilt als völlig überlaufen, ich konnte mich im Juli 2017 hiervon selbst überzeugen. Nicht das, was ich mir unter "meiner" Alpenüberquerung vorstellte, ich wollte das Ganze individueller angehen.
Ein in Deutschland weitgehend unbekannter Weg führt auf dem L1 von Garmisch nach Brescia. Hans Losse plante 1989 diese anspruchsvolle Route, die nicht durchgängig markiert ist und nur von äußerst wenigen Bergsteigern jährlich begangen wird. Das war schon eher nach meinem Geschmack.
Andererseits wollte ich bei diesem Projekt ungern einer "fertigen" Route folgen. Ich wollte meine eigene Route planen, die einzelnen Etappen ganz nach meinen Vorstellungen auswählen und gestalten. Als grobe Vorlage orientierte ich mich dabei am Wegverlauf des L1, habe allerdings die Tour sehr eigenständig geplant. Hans Losse nennt seine Route nach seinem Nachnamen "L1". Ich taufte meine Route und das Projekt daher auf "K1".
Der Startpunkt meiner Alpenüberquerung hatte eine besondere Bedeutung für mich. Klar, hier beginnt das Abenteuer und der Ort will gut überlegt sein.
Ich habe mich lange mit Oberstdorf als Start meiner Tour beschäftigt. Hier hat meine Bergleidenschaft begonnen, es wäre ein idealer Ort, um dort aufzubrechen. Der Weg über den Fellhorngrat wäre ein toller Auftakt, hier habe ich 2016 die Liebe zum Bergsteigen entdeckt.
Die Alternative war Garmisch, auch mit diesem Ort verbinde ich eine Menge. Die Wanderung durchs Reintal auf die Zugspitze war meine erste richtige Bergtour.
Beim Planen möglicher Routen ist mir schnell klar geworden, dass mir der Wegverlauf ab Garmisch deutlich besser gefällt. Insbesondere die nördlichen Abschnitte im Sellrain und vor allem den Stubaier Alpen reizten mich mehr als das Lechtal südlich von Oberstdorf. Auch der weitere Streckenverlauf mit Ötztaler Alpen und der Ortler-Region war für mich äußerst spannend. Spätestens beim Übergang in die Adamello-Alpen verläuft der Weg durch wenig erschlossenes und selten besuchtes Bergland - eine gute Vorstellung.
Allerdings liegt Garmisch nicht ganz am Alpenrand sondern streng genommen bereits in den Ammergauer Alpen. Somit habe ich mich entschieden, Murnau am Staffelsee kurz vor Garmisch als Start für meine Tour festzulegen und von dort aus die einzelnen Etappen zu planen.
Genauso wichtig wie ein guter Startpunkt ist natürlich das Ziel. Mit Start in Garmisch kamen verschiedene Zielorte in Frage, mit denen ich mich befasst habe:
1. Brescia:
Brescia ist eines der möglichen Ziele, wenn der Start in Garmisch erfolgt. Hans Losse plante seinen L1 mit Ziel in Brescia, hier sind die Alpen auch tatsächlich überquert.
2. Arco:
Arco liegt am Nordufer des Gardasees und ist ein weiterer möglicher Zielort. Nachteil: die Alpen ziehen sich am westlichen und östlichen Ufers des Sees noch etwa 50km weiter südlich entlang. Streng genommen würde am Ende also noch etwas zu einer perfekten Alpenüberquerung fehlen...
3. Salo:
Der kleine Ort Salo am Südufer des Gardasees ist möglicherweise ein guter Kompromiss. Hier endet der Gardasee und auch die Alpen laufen hier ins Alpenvorland aus. Die Kulisse am Gardasee wäre sicher ein tolles finish!
Letztlich fiel die Entscheidung auf Salo als endgültigen Zielort!
Bei der Planung meines K1 habe ich mir bestimmte Rahmenbedingungen überlegt, die ich mir quasi als eigene "Regeln" gesetzt habe. Mir geht es weniger darum, mich einem strengen Regelwerk zu unterwerfen sondern mehr, mir selbst Orientierung bei der Routenwahl, der Auswahl der Unterkünfte und dem detaillierten Wegverlauf zu geben:
1. Alles zu Fuß!
Wichtigste Regel für mich war, auf sämtliche Transportmittel zu verzichten. Keine Busfahrt, keine Gondel, kein Fahrrad. Ich wollte jeden einzelnen Meter laufen, auch wenn das bedeutete, mal an dem einen oder anderen Tag längere Passagen in der Ebene überbrücken zu müssen.
2. Nicht zu einfach!
Viele Alpenüberquerungen werden unter der Prämisse geplant, den direkten, vielleicht sogar den einfachsten Weg zu nehmen. Ich wollte nicht den leichtesten Weg nehmen, sondern den schönsten. Vielleicht auch im Zweifel lieber den anspruchsvolleren.
3. Immer oben rum!
Wenn man sich die Karte der Alpen anschaut, sind diese von vielen Tälern durchzogen. So wäre es an vielen Stellen möglich gewesen, diese durch die Natur vorgegebenen Wege zu nutzen und einen großen Teil der Strecke "im Tal" zu überbrücken. Auch hier machte ich es mir bei der Planung zur Auflage, sofern es möglich ist, immer "oben rum" zu gehen. Also immer den Weg oberhalb der Täler und über die Gebirgszüge zu wählen.
4. Hütten statt Pensionen!
Bei der Wahl der Unterkünfte griff ich nach Möglichkeit lieber auf Hütten statt auf Pensionen zurück. Dies ist auch die logische Konsequenz aus dem vorherigen Punkt. Ich wollte nach Möglichkeit immer auf dem Berg übernachten, statt im Tal. In erster Linie ging es mir um das alpine Flair, was auf einer Berghütte jenseits der 2.000m Marke intensiver ist als im Tal. Zudem ist es natürlich auch eine Kostenfrage. Die Nacht im Lager kostet als AV-Mitglied in der Regel um die 11,00€...
5. So viele Gipfel wie möglich!
Bei klassischen Alpenüberquerungen werden in der Regel kaum bzw. keine Gipfel eingeplant. Die Etappen sind in der Regel so geplant, dass Gipfelbesteigungen keinen Platz haben oder nur dann, wenn sie quasi auf dem Weg liegen. Ich stehe auf Gipfel und wollte auf meiner Tour so viele Berge wie möglich besteigen! Bei der Planung versuchte ich dabei ein gutes Maß finden: Natürlich konnte ich nicht alle Gipfel auf dem Weg mitnehmen, aber ich plante bei den meisten Etappen noch Zeit mit ein, um Gipfelbesteigungen zu ermöglichen. An einigen Stellen plante ich auch einen zusätzlichen Tag ein, um größere Gipfeltouren zu machen.
Ich habe den Winter 2019/2020 genutzt, um die Route im Detail zu planen. Am 20.07.2020 startete die Tour in Murnau am Staffelsee.